Miriam Wursters Zeichnungen sind liebevoll und elegant und doch treffsicher und präzise. Seit gut drei Jahrzehnten begleitet sie das aktuelle Zeitgeschehen mit ihren Cartoons und Karikaturen, kommentiert, kritisiert und macht auf Missstände aufmerksam. Dies tut sie mit einer Kombination aus Schärfe und Eleganz, die ihresgleichen sucht. Die Caricatura Galerie würdigt Wursters Arbeit nun mit einer Einzelausstellung und rückt damit ihr Werk in das gebührende Rampenlicht.
Der Ton macht die Musik
»Schrei mich bitte nicht so an!«, ruft die Frau am Ufer ihrem in die Fluten geratenen Mann zu. Ein Cartoon, der mehr beschreibt als eine herkömmliche Beziehungsszene. Er stellt nichts Geringeres dar als den Schlüssel zu Miriam Wursters Gesamtwerk und damit zu ihrem heimlichen Plan zur Rettung der Menschheit: Deeskalation! Folgerichtig wurde er zum Titelcartoon der Ausstellung und die Aussage der die Höflichkeitsformen wahrenden Dame gar zum Titel der Ausstellung bestimmt. Denn der Ton macht bekanntlich die Musik.
Formvollendete Blickführung
Den richtigen Ton trifft Miriam Wurster auch zuverlässig in ihren politischen Cartoons, etwa wenn sie den »klimafreundlichen E-Panzer« präsentiert oder einen AfD-Wähler Bilder von Menschenmassen auf Demos gegen Rechts als KI-generiert hinstellen lässt. Ihre Zeichnung zum Mythos des Einzeltäters bringt die Abscheulichkeiten des NSU-Skandals auf den Punkt und ist zugleich ein Paradebeispiel für ihre formvollendete Blickführung.
Akribische Geschichtenerzählerin
Miriam Wursters Affinität zu Tieren zeigt sich indes in nicht wenigen ihrer Arbeiten. Selbst den ansonsten unterrepräsentiertesten – der Speisemotte etwa – hat sie mit zärtlicher Hingabe je gleich einen ganzen Comic gewidmet. Denn neben dem Einbild-Witz ist ihr auch die mehrbildrige Langform, in der sie sich als akribische Geschichtenerzählerin erweist, nicht fremd. Vor allem aber dem Hund kommt im Werk von Miriam Wurster nicht selten eine tragende Rolle zu, etwa im Cartoon zur deeskalierenden Hundestaffel.
Gesamtes Schaffensspektrum
»Schrei mich bitte nicht so an!« präsentiert Miriam Wursters gesamtes Schaffensspektrum in vielfältiger Weise. Neben einem orthopädischen Handabdruck der Künstlerin, einer Skizzenwand sowie Cartoons und Stories aus Charlie Hebdo gibt es unter anderem auch ein Titanic-Spezial mit Wursters erstem Cartoon für das endgültige Satiremagazin und weitere Besonderheiten.
Eröffnet wird die Ausstellung am 2. August, um 19.30 Uhr bei freiem Eintritt. Als Laudator wird der Stern-Cartoonist Til Mette Miriam Wurster über den grünen Klee loben. Für den musikalischen Rahmen sorgen Studierende der Musikakademie der Stadt Kassel »Louis Spohr«. Mehr Infos zur Eröffnung gibt’s hier.
Die Künstlerin
Miriam Wurster wurde in Hamburg geboren und lebt in Bremen. Die Zeichnerin arbeitet für zahlreiche Magazine und Zeitungen, unter anderem Titanic, Charlie Hebdo, Neues Deutschland, den Stern, die taz, den Weser Kurier und die Süddeutsche Zeitung. In den Jahren 2015 und 2020 belegte sie jeweils den zweiten Platz beim »Deutschen Karikaturenpreis«, 2017 den ersten beim »Karikaturenpreis der deutschen Zeitungen«.